Märchen und Demenz im Seniorenstift
Ob Froschkönig oder Bremer Stadtmusikanten, die Bewohner des Juliusspital Seniorenstift Würzburg sind sichtlich gebannt vom ausdrucksstarken Auftritt von Phillip Sponbiel, Theaterschauspieler und ausgebildeter Demenzerzähler. Dass das Vorlesen und Erzählen von Märchen eine positive Wirkung auf Seniorinnen und Senioren hat, wusste und nutzte man im Juliusspital Seniorenstift schon lange. Der regelmäßige Besuch einer Märchenerzählerin oder eines Märchenerzählers war daher schon seit vielen Jahren Teil des Beschäftigungsprogramms in der Einrichtung.
Das nun etablierte Programm von MÄRCHENLAND – Deutsches Zentrum für Märchenkultur gGmbH wurde auf der Grundlage einer vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BFSFJ) in Auftrag gegebenen vierjährigen Studie entwickelt und erweitert das bisherige Angebot.
Eine Maßnahme mit zwei Zielgruppen
Neben dem nachweislich positiven Einfluss insbesondere auf an Demenz erkrankte Menschen, hat diese anerkannte und wissenschaftlich begleitete Präventionsmaßnahme auch das Wohlbefinden der Pflege- und Betreuungskräfte im Blick.
Die Seniorinnen und Senioren mit und ohne Demenz erfahren durch das Märchenerzählen eine Stärkung kognitiver Fähigkeiten und eine Verbesserung der psychischen Gesundheit, da sie das Langzeitgedächtnis aktivieren und schöne Erinnerungen hervorrufen. Auch soll dadurch herausforderndes Verhalten reduziert und Depressionen vorgebeugt werden. Dieser positive Effekt kann zu Erleichterungen im Pflegealltag führen und die Betreuerinnen und Betreuer in ihrer täglichen Arbeit entlasten.
Das Programm beinhaltet neben wöchentlichen Erzählungen eines professionellen Demenzerzählers auch eine ausführliche Schulung für das Pflege- und Betreuungspersonal zu Märchenvorleserinnen und –vorlesern. Dafür gibt es neben Märchenbüchern auch ein Memory, Ausmalblätter, seniorengerechte Hörbücher und Märchenfilme, die es ermöglichen eine Märchenstunde mit allen Sinnen zu erleben. Eine projektbegleitende Evaluation und Auswertung rundet das Angebot ab und stellt einen wissenschaftlich basierten Qualitätsstandard sicher.
Endlich wieder etwas gemeinsam erleben
Kathrin Sippel, Gerontofachkraft und Mit-Initiatorin des Programms im Juliusspital Seniorenstift, begleitet die Maßnahme mit viel Leidenschaft und Hingabe. Als ihr Kollege, Pflegedienstleiter Wolfgang Neubauer, von dem Programm erzählt hatte, war sie spontan begeistert und übernahm die Umsetzung von „Märchen und Demenz“ in der Einrichtung. „Zuhören, Entspannen und etwas gemeinsam erleben – das tut uns allen gut. Gerade nach der langen Zeit der Pandemie, bei der viele Betreuungsprogramme nicht wie gewohnt stattfinden konnten“, ist sie überzeugt. Bereits bei der eben erlebten zweiten Märchenstunde zeigen sich die positiven Reaktionen, sowohl von den Heimbewohnerinnen und Heimbewohnern als auch aus dem Kollegenkreis, berichtet Frau Sippel, die sich nun auf die Schulung zur Märchenerzählerin freut. Dazu gehört neben einem Sprachtraining auch die Schulung der Körpersprache, um die Märchen ausdrucksstark zu vermitteln. „Das wird sicher ein Spaß, schafft Abwechslung und fördert die Zusammengehörigkeit – besonders in diesen herausfordernden Zeiten“, ist sich das Betreuungsteam des Seniorenstifts einig.
Die Präventionsmaßnahme „Es war einmal…MÄRCHEN UND DEMENZ“ wird in Kooperation mit der AOK Bayern, der IKK Classic, der Knappschaft und der SVLFG durchgeführt. Die Maßnahme läuft seit 2017 sehr erfolgreich in Bayern und wurde auf die aktuell geltenden Corona-Bestimmungen abgestimmt. Die Kosten übernehmen im vollen Umfang die Pflegekassen. Weitere Informationen unter: www.maerchenunddemenz.de