Juliusspital Würzburg

Besondere Projekte

Stiftsschöpple im Juspi - Demenzkranke Bewohner helfen im Weinberg mit
Demenzkranke Menschen arbeiten im Weinberg - Wie passt das zusammen? Unser Projekt „Stiftsschöpple im Juspi“ – Demenzkranke helfen im Weinberg zeigt, dass es möglich ist, dementen Menschen das Leben wieder ein Stück erlebbar zu machen.

Bayerns Gesundheits- und Pflegeministerin Melanie Huml hat 2015 zum ersten Mal den Bayerischen Demenzpreis verliehen. Der 1. Preis ging dabei an das Seniorenstift Juliusspital Würzburg für das Projekt "Stiftsschöpple im Juspi – Demenzkranke helfen im Weinberg mit". Diese Kooperation mit dem Weingut der Stiftung ermöglicht es demenziell erkrankten Bewohnern, sich in die jahreszeitlich anfallenden Tätigkeiten am Weinberg einzubringen.

Demenz – mehr als nur eine Gedächtnisstörung
„Weg vom Geist“ bzw. „ohne Geist“ – so lautet die wörtliche Übersetzung des Begriffs „Demenz“ aus dem Lateinischen. Umgangssprachlich wird „Demenz“ gerne mit den Eigenschaften „verwirrt“, „vergesslich“, „desorientiert“ oder gar „gestört“. belegt. Aber „Demenz“ ist mehr als nur eine „einfache“ Gedächtnisstörung. Sie zieht das ganze „Sein“ des Menschen in Mitleidenschaft, seine Wahrnehmung, sein Verhalten und sein Erleben.

Wie alles begann
Aktivitäten außerhalb der Einrichtung sind Bestandteil des Pflegekonzeptes des beschützten Wohnbereiches im Seniorenstift Juliusspital. Ein Projekt im Jahr 2009 hieß „Weinlese“. Es war so erfolgreich, dass Wohnbereichsleitung und Weinbergmeister aus dieser einen Aktion Lese ein ganzjähriges Projekt machten: Das Stiftsschöpple war geboren.

Im März 2010 ging's los
Am 19. März 2010 fiel der offizielle Startschuss und Barbara Stamm, damalige Präsidentin des Bayerischen Landtags übernahm die Schirmherrschaft und besuchte die Auftaktveranstaltung im Weinberg am Würzburger Stein.

Dort bewirtschaften die Bewohner eine 2000 Quadratmeter große Lage. Die Steigung der Zeilen können die Bewohner bewältigen, die Rebzeilen sind mit Blumen markiert, Schilder erklären das Projekt. Durchschnittlich 10 Bewohner fahren mit dem Seniorenstift-Kleinbus und mit den Weinbergsmitarbeitern regelmäßig in „ihren“ Wengert zum Schalksberg am Würzburger Stein.

Die Arbeiten im Weinberg
Rebschnitt und Ausheben der Reben, Niederbinden der Reben zur besseren Belichtung, Ausbrechen der Doppeltriebe auf der Fruchtrute (Rebe), Mähen der natürlichen Begrünung und lockern des Bodens, Einfädeln der jungen Triebe im Drahtrahmen, Entblättern der Traubenzone für gute Besonnung der Trauben, Kürzen zu langer Triebe und Entfernen von Geiztrieben, Bestimmen des Mostgewichts, naschen der Beeren, Weinlese, Federweißer-Probe, Abfüllung

Das Stiftsschöpple im Juspi findet im Rahmen der gerontopsychiatrischen Betreuung der Bewohner im beschützenden Wohnbereich statt. Im Vordergrund steht hier – soweit möglich – die Normalität des alltäglichen Lebens. Die besonderen und nachhaltigen Erlebnisse werden wesentlich zum Erhalt und zur Förderung der noch vorhandenen Leistungsfähigkeit beitragen und zu einer Steigerung des Selbstwertgefühls und Wohlbefindens der Teilnehmer führen.

Wir versuchen den alten und kranken Menschen dort abzuholen, wo er gefühlsmäßig gerade steht, also meist aus seiner persönlichen Vergangenheit. Wir wollen ihm trotz seiner Erkrankung die gebotene Würde, Sicherheit und Lebensqualität vermitteln.

Gemeinsames Erleben, spielerisches Tun
Zu den wichtigsten Prinzipien gehören das gemeinsame Erleben, das spielerische Tun sowie das sinnliche Wahrnehmen. Die Bewohner werden ein Teil der Weinbergsgruppe und erfahren Teilhabe und Anerkennung in der „normalen Welt“. Das Körperbewusstsein der Bewohner kann somit durch die Aktivitäten im Weinberg angeregt und verstärkt werden. Grob- und Feinmotorik, Kraft- und Tastsinn werden beispielsweise durch das Schneiden mit der Weinbergsschere sowie durch die Balance beim Bewegen zwischen den Rebstöcken angesprochen

Durch die regelmäßigen Ausflüge in den Weinberg wurden eindeutig das Gleichgewicht, die Balance, die Muskelkraft sowie die Balance trainiert. Dies zeigt die Sturzstatistik – keiner der regelmäßigen Weinbergsteilnehmer ist seit März 2009 auf dem Wohnbereich gestürzt – im Gegenteil – viele bewegen sich besser, die Feinmotorik bei Verrichtungen des täglichen Lebens wie Gemüse schneiden, kreativem Gestalten oder bei Ballspielen ist eindeutig verbessert.

Themen entwickeln sich
Die Bewohner arbeiten mit Begeisterung mit, sind dadurch auf dem Wohnbereich ausgeglichener, zufriedener. Die Identifikation mit „ihrem“ Weinberg ist stark erkennbar. Oft erkundigen sich die Bewohner ob „ich beim nächsten Mal doch auch wieder mitfahren darf“. Konflikte/herausforderndes Verhalten kann durch „Weinbergsgespräche“ reduziert werden – einfach durch Austausch von Erinnerungen. Erzählen von Erlebnissen oder einfaches Betrachten von Bildcollagen, auf denen sich die Bewohner im Weinberg sehen.

Die Thematik kann auch auf dem Wohnbereich immer wieder aufgegriffen werden und man stellt z.B. Weinbergsgelee her, gestaltet gemeinsam das „Weinbergstagebuch“ sowie Bildcollagen von den Terminen im Schalksberg.

Und der Zusatznutzen für unsere Mitarbeiter im Weingut: Den „Wirtschaftern“ im Weinberg und in der Kellerei des Weingutes Juliusspital vermittelt das Projekt das Bewusstsein für die gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit und trägt zum Abbau der Distanz zu Pflegebedürftigen in der Familie und im weiteren sozialen Umfeld bei. Die soziale Kompetenz gewinnt!

Das Stiftschöpple ist etwas Besonderes
Daher erhält es auch eine besondere Kennzeichnung zur Information der Kunden. Und denen wünschen wir nachhaltigen Genuss mit unserem besonderen Produkt.

Wir fahren in den Urlaub!
Seit 1992 organisiert Einrichtungsleiter Clemens Halbig für seine Bewohner im Juliusspital Seniorenstift einmal im Jahr den „Urlaub vom Alltag“. Dann besuchen die Senioren – begleitet von ihren Pflegekräften – interessante Städte und Landstriche in ganz Deutschland. So waren sie im Rahmen dieses wohl einmaligen Projekts schon in Berlin, München, im Bayerischen Wald, am Bodensee und, und, und …

Nicht wie Sie jetzt vielleicht denken mit einem Kleinbus oder gar mit dem Auto, sondern mit einem speziell für Behinderte eingerichteten Reisebus – inklusive barrierefreier Toilette und einem Rollstuhlaufzug – gehen die Senioren auf Reisen.

Fünf Tage mal raus aus dem Alltag
„Fünf Tage Urlaub“ ein ungewöhnliches Angebot für Menschen, bei denen Urlaub leider oft kein Thema mehr ist. Die Seniorenstift-Bewohner leiden an altersmäßigen Gebrechen, sind teilweise dement, sitzen im Rollstuhl. Für manche von ihnen ist die Fahrt mit dem Rollstuhl auf ihrem Wohnbereich den Gang entlang schon das höchste der Gefühle. Und jetzt geht es für sie fünf Tage lang raus aus dem Alltag. Das ist ein Abenteuer pur, das genießen sie alle. Ihre Versorgung mit allem, was sie täglich rund um die Uhr benötigen, stellen die Pflegekräfte sicher.
 

Rund-um-die-Uhr-Betreuung
Die Urlaubsfahrt ist aber kein normaler Urlaub. Handelt es sich doch bei den Reisenden um pflegebedürftige Heimbewohner, die rund um die Uhr Betreuung durch Pflegekräfte benötigen. In der Praxis sieht das so aus, dass die 22 Bewohner von 12 Fachkräften begleitet werden. Somit ist es auch kein Problem, dass abwechselnd zwei Mitarbeiter Nachtdienste übernehmen. Da in den Hotels die gewohnte Rufanlage nicht vorhanden ist, wird mit Babyphonen improvisiert.

Frei von Barrieren für jeden machbar
Schon lange bevor es losgeht, beginnt die Suche nach einer geeigneten Unterkunft. Ist doch zu bedenken, dass der Großteil der Bewohner barrierefreie Zimmer sowie behindertengerechte Nasszellen benötigt. Die begleitenden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen um Clemens Halbig sind ein eingespieltes Team. Einige betreuen die Bewohner, während die anderen die Koffer auspacken, die Betten mit Ledern, Waschbaren, Durchzügen und Inkontinenzmaterialien versehen, Rollstühle und Toilettenstühle entsprechend verteilen, welche im Anhänger dabei sind.